Bild: Die amerikanische Expedition unter Commodore Matthew Calbraith Perry (1794-1858) landet in Japan am 14. Juli 1853. 

War Japan ein abgeschottetes Land?

Die Annahme, dass sich Japan erst mit der erzwungenen Öffnung durch Townsend Harris (1804-1878) und Kommodore Matthew C. Perry (1794-1858) dem „Westen“ nach einer Zeit der Abschottung (Sakoku 鎖国) geöffnet hat, wurde in der Historiographie revidiert. Spätestens mit der 1991 veröffentlichten Publikation "State and Diplomacy in Early Modern Japan: Asia and the Developement of the Tokugawa Bakufu" von Ronald P. Toby wurde diese eurozentrische Denkrichtung kritisiert. Aber auch japanische Historiker wie Arano Yasunori befürworten eine kritische Würdigung des bisherigen Konzeptes des Sakoku. Bislang verkannte das Konzept unter anderem die vier Handelsbeziehungen (Yottsu no kuchi 四つの口) des Tokugawa-Shōgunats (Bakufu 幕府) zu Ezo (Hokkaido), Tsushima, Nagasaki und dem Königreich Ryūkyū. Auf diesem Wege pflegte das Bakufu auch Beziehungen zu China und Korea.

Des Weiteren erschien der Begriff Sakokuron (鎖国論) erstmalig 1801. Shizuki Tadao (1760-1806) führte in ein, als er Engelbert Kaempfers (1651-1716) "Geschichte und Beschreibung Japans" ins japanische übersetzte. In der historischen Forschung geht man davon aus, dass sich Sakoku als eine politische Maxime erst mit dem Ende des 18. Jahrhunderts in verschiedenen Etappen herausbildete. Maßgeblich hierfür war das Eintreffen des russischen Gesandten Adam Laxman 1792 in Nemuro (Hokkaido). Sicherlich verfasste das Tokugawa Bakufu bereits 1653 siebzehn "Sakoku Edikte". Dennoch sieht Michael S. Laver in diesen Direktiven keine Abschottung Japans, sondern ein eigenes Machtstreben des Tokugawa Bakufus, denn diese hegte ein reges Interesse daran alle Aspekte des Handels zu kontrollieren, anstatt den ausländischen Handel zu eliminieren.

Diese und weitere Beobachtungen machen das Land der aufgehenden Sonne nicht nur für HistorikerInnen so interessant. Es brachte viele überraschende und auf dem ersten Blick befremdliche Tatsachen und Erkenntnisse mit sich. So wird die Kultur Japans in nahezu allen Bereichen der Gesellschaft, sei es in der Sprache, im Schriftsystem, der Religion, der Kunst, der Architektur oder dem Essen erkennbar. Darüber hinaus ist der chinesische Einfluss in der Region Ostasien nicht zu unterschätzen. So übernahmen etliche literarische Werke Japans – wie das Nihon ryōki 822 zusammengefasst durch Keikai – das chinesische Schriftsystem (kanbun 漢文). Oder denken wir nur an die weitverbreiteten Ramen (ラーメン) Gerichte deren Vorläufer die chinesischen Nudeln (Chūka soba 中華そば) waren.

Japan entwickelte sich von einer protoindustriellen Gesellschaft während der Edo-Zeit (江戸時代 1600-1868) zu einer militärischen Großmacht, welche spätestens nach dem Russisch-Japanisch Krieg (1904-1905) nach Anerkennung auf globaler und politischen Ebene strebte.  Alles im allem führten verschiedene historische Ereignisse in den unterschiedlichsten Bereichen zu dem Bild bei, dass Japan für Außenstehende so faszinierend macht. Die Hingabe der JapanerInnen zur Natur, das Leben mit der Natur, die Zurückgezogenheit des Einzelnen, gegenseitiger Respekt und Rücksichtnahme stehen im Kontrast zu einer Zeit voller Beschleunigung, Enge und neuen Herausforderungen.

Anbei finden Sie ausgewählte Literatur zur Einführung in die japanische Geschichte, sowie eine kleine Übersicht über die Epochen Japans.

Literatur:

Arano, Yasunori, Kinsei Nihon to Higashi Ajia (Early Modern Japan and East Asia). Tokyo: University of Tokyo Press, 1988.

Laver, Michael S., The Sakoku Edicts and the Poltitcs of Tokugawa Hegemony. Amherst: Cambria Press, 2011.

Ravina, Mark, “Tokugawa, Romanov, and Khmer: The Politics of Trade and Diplomacy in Eighteenth-Century East Asia”, in: Journal of World History 26, 2 (2015), S. 269-294.

Toby, Ronald P., “Reopening the Question of Sakoku: Diplomacy in the Legitimation of the Tokugawa Bakufu”, in: Journal of Japanese Studies 3, 2 (1977), S. 323-363.

Toby, Ronald P., State and Diplomacy in Early Modern Japan: Asia and the Development of the Tokugawa bakufu. Stanford: Stanford University Press 1991 (1984).

Totman, Conrad, Japan and the World, 1450-1770: Was Japan a ‘Closed Country?’”, in: Education About Asia 12, 1 (2007), S. 36-39.

Wakabayashi, Tadashi Bob, “Opium, Expulsion, Sovereignty: China’s Lessons for Bakumatsu Japan”, in: Monumenta Nipponica 47, 1 (1992), S. 1-25.